Dinah Wernli erläutert, wie der Bildband «Louise» entstanden ist
Ende 2024 erschien der Bildband «Louise» der Illustratorin Dinah Wernli beim Zürcher Verlag Edition Moderne. Inspiriert wurde dieses Buch von Cuno Amiets Schaffenswerk.
Dinah Wernli, geboren 1983 in Schlieren, Schweiz, arbeitete als Damenschneiderin in einem Basler Couture-Atelier und als Kindergärtnerin und Primarlehrerin an verschiedenen Schulen, ehe sie Illustration an der Hochschule Luzern — Design & Kunst studierte. Seither ist sie als freischaffende Illustratorin und Autorin tätig. Sie lebt und arbeitet in Zofingen. Für «Louise» erhielt sie den Förderpreis der zeugindesign-Stiftung.
In einem Gespräch erläutert Dinah Wernli ihre Beweggründe hinter «Louise»:
Was war der auslösende Moment für das Projekt «Louise»?
Dinah Wernli: Ausgangspunkt meines Projekts «Louise» bildet ein Gemälde Cuno Amiets, das ich vor einigen Jahren in einer Ausstellung gesehen habe. Es zeigt einen Halbakt, den Oberkörper, die schwere Brust in sattem Gelb gehalten, auf den massigen Schultern ein kleiner oranger Kopf – daneben in Messing geprägt die Angaben zum Bild: Halbakt von vorn (Frau Grütter), 1907. Und ich glaube, es war diese Klammerbemerkung, die mich zu meinem aktuellen Projekt geführt hat, die Gleichzeitigkeit dieser nackten Frau und dem förmlichen „Frau Grütter“, noch dazu in Klammern gesetzt.
Wer war diese Frau in Gelb? Welches Leben lebte sie? Was ging ihr durch den Kopf in jenem Moment? Was mochte die Begegnung mit dem Künstler Cuno Amiet bei ihr ausgelöst haben?Während der Betrachtung des Gemäldes, das bereits ein Jahrh undert überdauert hat, entstand ein Raum der Stille zwischen mir und jener Frau auf der Leinwand. Und in diese Stille hinein begannen meine Gedanken Fäden zu spinnen, die sich langsam zu einer Geschichte verwoben. Daraus ist «Louise» entstanden, ein Gedankenspiel, basierend auf den wenigen mir damals bekannten Fakten über Louise Grütters Leben und den Gemälden und Zeichnungen, die von ihr existieren.
«Louise» ist aus jenem Moment der Stille und der Frage heraus entstanden, was sich rund um jenen Augenblick verborgen haben mochte – eine Frage, die über die konkreten biografischen Fakten, die historische Louise Grütter hinausgeht, und die ich mit der Figur Louise aus dem Buch erkunde.
Ich verstehe «Louise» nicht als ein abgeschlossenes Werk, sondern vielmehr als eine Brücke – zwischen Vergangenheit und Gegenwart, zwischen Realität und Fiktion, zwischen dem, was war, und dem, was hätte sein können. Es war mein Wunsch, Louise eine Stimme zu geben, Zwiegespräch mit ihr zu halten - immer im Bewusstsein, dass es eine Erzählung aus meiner Perspektive heraus bleibt, ich nicht an Louises Statt treten kann und will. Es ist eine Würdigung aus meiner Warte heraus, das Sichtbarmachen einer Existenz, die sich hinter jener Klammerbemerkung, hinter der Frau auf jenem Gemälde verbirgt … oder hätte verbergen können.
Was bedeuten Ihnen die Werke von Cuno Amiet?
Dinah Wernli: Amiets Werk ist sehr umfangreich und vielschichtig und in vielerlei Hinsicht inspirierend, insbesondere seine meisterhaften Farbgebungen, seine Farbkompositionen! Amiets Werke lassen für mich Welten entstehen, in die ich eintauchen, die ich durchschreiten, durch die ich mich verzaubern lassen kann.
Nebst der unglaublichen Fülle und Vielfalt seiner Werke beeindruckt mich auch Amiets Arbeitsweise: Sein beständiges Schaffen, seinen Mut und seine Lust, sich auf Neues einzulassen, seine Freude daran, sich immer wieder neu zu definieren, seine Liebe zur Natur, zu seiner Umgebung und den Menschen um ihn her, sein Blick für das Naheliegende, Einfache, unbeirrbar auch das Alltägliche festhaltend und damit ins grosse Ganze einzufügen.
Die Fondation Cuno Amiet unterstützt Projekte zur Förderung des Interesses der Allgemeinheit an Kunst und Kultur in der Schweiz. Das Buchprojekt «Louise», dessen Wurzeln in Cuno Amiets Schaffenswerk liegen, hat die Stiftung durch seine Authentizität überzeugt und zur Unterstützung bewegt. Der Bildband ist auch in unserem Shop erhältlich.